Paul Klee

18. Dezember 1879 Münchenbuchsee bei Bern – 29. Juni 1940 Muralto-Locarno

Werke

Garten in der Ebene I, 1920

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„Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“
Mit diesem Satz erläuterte der Bauhauskünstler Paul Klee den organischen Prozess, der seinem künstlerischen Schaffen zugrunde liegt. Seinen Bildgegenstand entwickelte er aus den graphischen Elementen Punkt, Linie und Fläche. Individuelle Formen der Natur führte er auf geometrische Muster zurück und vollzog in seiner künstlerischen Gestaltung den Wachstums- und Schöpfungsprozess nach.
Wie auf Notenlinien aufgereiht stellte Paul Klee den „Garten in der Ebene“ dar. Auf elf horizontal angeordneten Streifen zeigte er eine Landschaft, die von Gelb und Orange zu Blau übergeht. Bäume, Zäune, Blumen und Sträucher erscheinen als rhythmische Formkürzel. Rot wird zur vorherrschenden Farbe der Blütenbüschel und Baumkronen, die kreisrund auf geraden Stämmen stehen. Die kultivierte Ordnung des Gartens gleicht einer Notenschrift.
Dass der musikalische Aspekt im Werk Paul Klees so eindringlich zutage tritt, ist kein Zufall. Der 1879 geborene Schweizer war das Kind eines Musiklehrers und einer Sängerin. Bereits mit elf Jahren trat er als Geiger im Orchester seiner Heimatstadt Bern auf. Als junger Mann konnte er sich lange nicht entscheiden, ob er Musiker oder Maler werden wollte. Auch später, als Bauhauslehrer in Weimar, spielte die Musik für ihn eine wesentliche Rolle. Häufig musizierte er mit Kollegen oder gab Konzerte mit seiner Frau Lilly, einer Pianistin.
So gleicht Klees „Garten in der Ebene“ in seiner Anlage einer Partitur. Ursprünglich war das kleine, auf Pappe gezogene Ölbild allerdings Teil einer größeren Komposition – der Künstler selbst zerschnitt sie horizontal und machte zwei Bilder daraus: eins davon sehen Sie hier.

Deutsche Stadt BR., 1928

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In der Darstellung Deutsche Stadt BR. von 1928 geht es neben der stimmungsvollen Darstellung einer Stadtlandschaft darum, konstruktive Gesetzmäßigkeit und spontane Strichzeichnung zu einer bildnerischen Synthese zu verständigen und so „die Dualität als Einheit“ kenntlich zu machen. Paul Klees Komposition besteht aus nebeneinander geordneten blassfarbigen Rechtecken und Quadraten, deren unterschiedliche Größen und Farben den Rhythmus des Bildes in Gang bringen. Die Stadtansicht mit ihrem Kirchturm ist in diese Aquarellflächen eingebettet. Nass-in-nass entstanden dabei Farbwolken, die an einen Regenbogen erinnern.
Das seit der deutschen Romantik immer wieder aufgegriffene Motiv des Regenbogens gilt nicht nur als Sinnbild des Neuen Bundes, sondern auch als Hinweis auf einen kosmischen Allzusammenhang, oder wie Klee es ausdrücken würde: auf ein „Weltganzes – auf das Wissen, dass ein Ding mehr ist, als seine Aussenseite zu erkennen gibt.“
In der Zeit, als das Bild entstand, hatte sich Klee innerlich bereits vom Bauhaus gelöst. So empfand er seine Lehrverpflichtung zunehmend als Belastung, nicht nur weil er sich nach künstlerischer Freiheit sehnte, sondern auch aufgrund der zunehmenden Anpassung des Bauhauses an die Bedürfnisse der Industrie.
Mit der Verwissenschaftlichung des Lehrbetriebs am Bauhaus hatte der Künstler seine Schwierigkeit, ging es ihm doch um die „unbekannte Größe X“, das irrationale Moment der genialen Intuition. Obwohl man Klee am Bauhaus halten wollte, war sein Wechsel an eine andere Kunsthochschule schon 1928 nicht mehr aufzuhalten. Drei Jahre später folgte er einem Ruf an die Düsseldorfer Kunstakademie.

Herbstsonniger Ort, 1921

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„Herbstsonniger Ort“ gehört in eine Reihe von Werken der frühen Bauhausjahre. Vorbild dafür dürften die so genannten Fenster-Bilder des Franzosen Robert Delaunays gewesen sein; ähnlich wie Delaunay lässt auch Klee den Betrachter durch ein geöffnetes Fenster in der Bildmitte in die Landschaft blicken.
Die geometrischen Farbfelder wirken schwerelos: Die in horizontalen Reihen unregelmäßig gefügten Rechtecke und Dreiecke sind mal scharf umgrenzt, mal werden sie weich ins Nachbarfeld hinübergespielt. Hier und da werden sie durch figurative Motive überschnitten oder hinterfangen. Der flächenhafte Zusammenhalt der geometrischen Formen spielt ins Räumliche, ohne dass klare Grenzlinien zwischen Innen und Außen, Vorder- und Hintergrund gezogen werden könnten. Farbige Rechtecke, Trapeze und Dreiecke bezeichnen facettenreich die Vielfalt einer urbanen Landschaft, die von allen Seiten goldgelb durchwirkt ist und die Stimmung eines sonnigen Herbstabends wachruft.
Hier geht nun Stadtarchitektur unmerklich in Bildarchitektur über. Schon als junger Künstler hatte Klee erklärt, dass er „überall nur Architektur, Linienrhythmen, Flächenrhythmen“ sehe. Fortan betrachtete er die „Architektur als Schule der bildenden Kunst“ und versuchte, „architektonische und dichterische Malerei in Einklang oder doch wenigstens in Zusammenhang zu bringen“ – wie er es selbst formulierte.

Seiltänzer, 1923

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Der schwebende Augenblick des Balancierens – einer nur vorübergehenden Harmonie zwischen zwei widerstrebenden Energien – war das Thema einer Vorlesung über „Gewichtsempfindung als bildnerisches Element“, die Paul Klee in den zwanziger Jahren am Bauhaus hielt. Darin behandelte er am Beispiel des Seiltänzers Fragen zur ausgewogenen Komposition.
„Kunst der Gegenwart“ lautete der Titel der Bauhaus – Mappe, in der Klees Lithographie „Seiltänzer“ als kunstdidaktisches Programmbild Eingang fand.
Denn im Gewirr der Konstruktionslinien versteckte der Künstler – wie in einem Suchbild – das von seinem Kollegen Oskar Schlemmer entworfene Bauhaus-Logo: sozusagen das „Markenzeichen“ des Bauhauses: einen angedeuteten Profilkopf, dessen Hals hier als Linie direkt aus der unteren Bildmitte emporsteigt.
Nicht durch das Prinzip von Stützen und Lasten, sondern durch kompositorische Ausgewogenheit, wird die Konstruktion aus Stangen, Strickleitern und Seilen zusammengehalten. Sie findet im Kunststück des selbstbewussten Seiltänzers ihren Kristallisationspunkt.
Spr.: In Klees Bauhausvorlesungen wurde der balancierende Artist mit dem um kompositorischen Ausgleich ringenden Künstler in Verbindung gebracht. Im übertragenen Sinne lässt sich die Darstellung demzufolge auch als Selbstdarstellung des Künstlers verstehen, der Gleichgewicht „zwischen Realität und Abstraktion, Natur und Geist, Erscheinung und Idee“ herstellen muss.