Werke
Zwei stehende Mädchenakte in Dünen, um 1920
Audio- und Textinformation zum Werk
Etwa um 1910 malte Otto Mueller die ersten Badeszenen in freier Natur. Zu jener Zeit verbrachte er die Sommermonate zusammen mit den anderen Mitgliedern der Künstlergruppe „Brücke“ am Wasser. Fernab der öffentlichen Strände setzten sie sich rigoros über bestehende Moralkonventionen hinweg und suchten vor dem Hintergrund der noch jungen Lebensreform-Bewegung ein neues Miteinander zu erkunden.
Wenn dann am Strand und beim Baden Freunde und Lebensgefährtinnen gemalt wurden, ging es künstlerisch im Wesentlichen um die Suche nach dem ungezwungenen Bewegungsablauf – der unverstellten Gebärde, die der klassischen Pose zuwiderläuft und den Menschen in seiner Natürlichkeit zeigt.
Otto Mueller blieb diesem Thema zeitlebens verpflichtet. Auch in seiner Kreidezeichnung „Zwei stehende Mädchenakte in Dünen“ von 1920 – entstanden also lange nach Auflösung der „Brücke“ – bringt er das neue Lebensgefühl zum Ausdruck; und zwar vor allem durch die radikale Formensprache.
Annähernd formatfüllend stehen die beiden Mädchen nackt in der Dünenlandschaft. Mit Bleistift und blassgelber Aquarellfarbe sind die weiblichen Proportionen konturenscharf herausgearbeitet – die Körper werden in harten Kanten und spitzen Winkeln beschrieben. Gesichter, Hände, Zehen, auch die Schatten, bleiben ausgespart. Diese Skizzenhaftigkeit ist wohlbedacht und darauf angelegt, die Spontaneität der Szene durch eine emotionale Strichführung auszudrücken.
Mueller beschwört hier die Einheit von Kunst und Leben und sucht in der Vehemenz der Zeichnung nach archaischer Ausdrucksdichte und vitaler Ursprünglichkeit.