Werke
Weidende Pferde, 1909
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
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Erich Heckel, Gründungsmitglied der Künstlergruppe „Brücke“, kam im Spätsommer 1909 zum dritten Mal in Folge in das kleine Fischerdorf Dangast am Jadebusen, um gemeinsam mit seinem Malerfreund Karl Schmidt-Rottluff in freier Natur zu arbeiten. Die abwechslungsreiche Marsch- und Moorlandschaft mit ihren Weiden und mächtigen Bäumen hielt die beiden jungen Männer in Atem und diente ihnen als künstlerische Projektionsfläche für ein einfaches, unverfälschtes Leben.
Später erinnerte sich Erich Heckel: „Wir lehnten die einschmeichelnde oder salonhafte, noch immer dem Akademismus verhaftete Geschmacksrichtung ab. Das Gepflegte war nicht unser Ziel.“
Es sind vor allem Landschaftsmotive, die den sechsundzwanzigjährigen Maler zu immer neuen Farb- und Formexperimenten herausforderten. „Weidende Pferde“ ist ein treffendes Beispiel. Das Rot der grasenden Tiere wird durch das komplementäre Grün der Vegetation gesteigert, während die Farbtöne der Koppel zwischen grün, gelb und rosa changieren. Die fehlende Binnenmodellierung der Pferde steigert die Bedeutung der Farbe gegenüber der Zeichnung und trägt entscheidend dazu bei, dass die Körper in dem Maße verflachen, wie die Intensität der Farbe zunimmt.
Die nervöse, durch van Gogh und die Neoimpressionisten angeregte Pinselzeichnung war also endgültig überwunden und einem großflächigen Malauftrag mit konturierten Einzelformen gewichen.
Vorausgegangen waren maltechnische Experimente, die ein schnelleres und spontaneres Arbeiten durch verkürzte Trocknungszeiten möglich machen sollten. Erich Heckel erklärte dazu: „Wir stellten uns die Grundierung der Leinwand … selbst her; durch einen Auftrag von Leim und Schlemmkreide mit geringem Ölzusatz… Die matte Wirkung der Bilder kommt so einerseits von dem saugenden Grund, anderseits von einer Verdünnung der Tuben-Ölfarben.“
Tiergarten II, 1914
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
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Als einer der letzten „Brücke“- Maler zog Erich Heckel im Dezember 1911 von Dresden nach Berlin. Er entdeckte – ähnlich wie seine Freunde Max Pechstein, Otto Müller, Karl Schmidt-Rottluff und besonders Ernst Ludwig Kirchner die Metropole als künstlerisches Thema.
Neben den vorherrschend lebensbejahenden und zivilisationsflüchtenden Darstellungen entstanden immer häufiger schwermütige Stadtlandschaften, die jede befreiende Aussicht, jedes Versprechen auf die Zukunft vermissen lassen.
Das Stadtbild „Tiergarten II“ entstand wenige Wochen nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, zu einer Zeit, als Heckel in Berlin seine freiwillige Ausbildung zum Kriegssanitäter absolvierte.
Das herbstlich kahle Geäst ist mit dem Graphitstift kräftig und mit scharfen Konturen gegen den fahlen Himmel herausgezeichnet.
Einerseits strebt es über die Bildgrenzen hinweg, andererseits neigen sich die Bäume ganz links im Bogen nach unten und durchmessen dabei das gesamte Querformat. Zusammen mit dem gekrümmten Flusslauf bilden sie eine kreisförmige Bewegung, die Hintergrund und Vordergrund miteinander verbindet und den Mann auf der Parkbank in Szene setzt.
Tatsächlich deutet einer der Bäume wie ein Fingerzeig auf die schwermütige, trist schwarze Gestalt, die auf der Bank Platz genommen hat:
Ganz in der Tradition der deutschen Romantik, vermittelt Heckel den Gemütszustand des Menschen über die Naturstimmung. Im Bild der absterbenden Natur mit den niedersinkenden Bäumen beschreibt er die Melancholie des Einzelnen und, darüber hinausweisend, die allgemein vorherrschende Krisenstimmung zu Beginn des Ersten Weltkriegs.
Gent, 1924
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
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„Reisen ist das Leben, wie umgekehrt auch das Leben eine große Reise ist.“ Ab 1920 unternahm Erich Heckel immer wieder Touren quer durch Europa. Die Winter verbrachte er sonst in Berlin und die Sommer in Osterholz, an der Flensburger Förde.
Seine Eindrücke hielt der Maler in zahlreichen „Reisebildern“ fest, zu denen auch die 1924 entstandene Stadtlandschaft „Gent“ gehört. Die Hafenstadt Gent, Hauptstadt Ostflanderns, hatte für Heckel eine besondere Bedeutung. An verschiedenen Orten in Flandern hatte er im Ersten Weltkrieg seinen Sanitätsdienst absolviert.
Heckel zeigt dem Betrachter die fensterlose ans Wasser grenzende Rückseite einer Genter Häuserzeile. Er lenkt den Blick auf den Schnittpunkt der Fluchtachsen und stellt das rote Kirchengebäude in die Bildmitte. Die verschattete rechte Bildhälfte zeigt er in kalten Farben; die linke Seite ist dagegen in gold-gelbes Licht getaucht.
Im Wechselspiel zwischen dem annähernd waagerecht verlaufenen städtischen Panorama und den senkrechten Mauerkanten, Brückenpfeilern und Bäumen, die sich im Gewässer bis in den Vordergrund spiegeln, ergibt sich ein Rhythmus gleitender und ragender Formen voller Harmonie und Stille.
Angesichts vergleichbarer Darstellungen, in denen Heckel Straßen, Wasser- und Fußwege verheißungsvoll im Licht des Horizonts verschwinden lässt, kann die Wegstrecke zu einem nicht näher erklärten Fernziel hier durchaus als Metapher gelten – als Selbstbeschreibung der künstlerischen Wanderschaft.
Weitere Werke des Künstlers in der Sammlung :
Kapblumen I, 1963
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Stillleben gewannen im Spätwerk Erich Heckels noch einmal an Bedeutung. Als „Kapblumen I“ entstand, lagen sechs Jahrzehnte künstlerischer Produktion hinter dem „Brücke“-Maler. In seiner Darstellung verzichtete er auf jedes Beiwerk: Er stellte eine schwarze Vase mit exotischen Blütenpaaren und einem Distelzweig vor eine weiße Wand in einen sonst leeren Raum mit grauem Vorhang rechts.
Bei den Blumen handelt es sich um weiße und rote Exemplare der Gattung Protea – wegen ihres häufigen Vorkommens am Kap der Guten Hoffnung auch „Kapblumen“ genannt.
Heckel mied hier jeglichen dekorativen Effekt. Er rührte die Farben mit wenig Wasser an und ließ das Liniengerüst der Vorzeichnung deutlich hervortreten. Besonderen Wert legte er auf konturscharfe Übergänge, die durch das harte Gegeneinander von Schwarz und Weiß auffallend zur Geltung kommen.
In der Natur sind die Blätter der Protea grün, und die Blüten mit atemberaubender Leuchtkraft ausgestattet. In Heckels Wahrnehmung jedoch verwandelt sich das Naturvorbild in ein Stimmungsbild, das von schwarzen Blättern und tristen Farben bestimmt ist.
In der Gegenüberstellung von Ermattung und drängender Lebenskraft, von Farbe und Nicht-Farbe wird das Stillleben zum Sinnbild für die Vergänglichkeit des Lebens. Es steht damit in der Tradition der Vanitas-Darstellungen, der auch zahlreiche Blumenstillleben Emil Noldes verpflichtet sind.