Lovis Corinth

21. Juli 1858, Tapiau (Ostpreußen) – 17. Juli 1925, Zandvoort

Werke

Walchenseelandschaft im Herbst, 1921

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„Meine Produktionskraft war größer denn je. (…) Durch die Motive des Walchensees errang ich über die Maßen große Erfolge, in finanzieller Sicht und im idealen. Jeder Berliner wollte ein Bild aus jener bayrischen Gebirgskette besitzen, und so kam es, dass ich nebst dem Stillleben ein Spezialist für diesen schönen Winkel vom Walchensee wurde“, so schilderte Lovis Corinth seine Beweggründe für die intensive Beschäftigung mit der Walchensee – Umgebung, bei der etwa siebzig großformatige Aquarelle, sechzig Gemälde und viele Zeichnungen entstanden.
Den gesamten Herbst 1921 verbrachte der Maler in seinem Ferienhaus. Mit diesem Aquarell hielt er die Gegend von seiner hauseigenen Terrasse gesehen fest.
Der Panorama – Blick über den See auf das gegenüberliegende Karwendelgebirge entspricht zwar durchaus klassischer Sehgewohnheit. Doch alles wirkt wie in einem schwebenden Miteinander: Bäume, Berge und Häuser verschwimmen in den blass verlaufenden Farben und verlieren in den diagonalen Strichlagen an Plastizität.
„Die wahre Kunst ist Unwirklichkeit üben“, formulierte Corinth zu jener Zeit sein künstlerisches Credo, das seine akademischen Anfänge vergessen machte und eher im Einklang mit den Vorstellungen der Expressionisten stand. Doch was spontan dahingeworfen scheint, ist das Ergebnis allergrößter Mühen. Über die aufwendig betriebene Aquarelltechnik des Künstlers berichtete Corinths Frau Charlotte: Cobaltblau und fegt über das weiße Papier. Dann mischt er schwimmend voller Wasser die braunroten Farben und der Pinsel fliegt hin und her.
Ein tiefes Schwarz wird eingesetzt. Es sieht so aus, als könnte aus dem Getriefe niemals etwas Klares herauskommen. Corinth malte viele Stunden an einem Aquarell, oft länger als am Oelgemälde.“

Drei Bäume vor bewaldetem Berghang, 1921

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Im Sommer 1918 kam Lovis Corinth zum ersten Mal aus Berlin an den oberbayrischen Walchensee. Er entdeckte in der Abgeschiedenheit der Berge die Schönheit der nahezu unberührten Natur. In Urfeld, einem kleinen Gebirgsort am Seeufer, baute er schon im Folgejahr für seine Familie ein Haus, in dem er bis zu seinem Tod 1925 viel Zeit verbrachte. So entstanden zahlreiche Ansichten, die zu einem bedeutenden Posten im Spätwerk des Künstlers zählen.
Die Zeichnung „Drei Bäume vor bewaldetem Berghang“ stellt eine Momentaufnahme bei der Suche nach dem unheimlichen Charakter der Gebirgslandschaft dar. Corinth schrieb dazu: „Wunderschön ist der Walchensee, wenn der Himmel schön ist, aber unheimlich, wenn die Naturgewalten toben. Wenn die Steinlawinen von den Bergspitzen herunterrollen und die stärksten Bäume wie Streichhölzer knicken, kennzeichnen sie die Spur des Unheils bis in den See hinein. Es ist keine Seltenheit, derartige Naturkatastrophen zu erleben. Das ist die unheimliche Tragödie des Walchensees. Man nennt ihn den Selbstmördersee.“
Corinth erfasste diese gespannte Atmosphäre mit genau gesetzten Strichen: Die in dieser Zeichnung parallel nebeneinander stehenden Bäume im Vordergrund strecken ihre kahlen Äste in den blanken Himmel und durchmessen die gesamte Höhe des Blattes. Sie werden von der fallenden Bergsilhouette im Hintergrund diagonal gekreuzt. Wie ein Wetterstrahl bricht der Hang von rechts oben nach links unten in das Bild, durchschießt das vertikale Nebeneinander der Bäume mit seiner dynamisch stürzenden Schraffur und lässt die lauernde Naturgewalt ahnen, die drohend über der Idylle hängt.

Walchenseelandschaft, 1922