Alexej Jawlensky

13. März 1864, Torschok (Russland) – 15. März 1941, Wiesbaden

Werke

Landschaft, 1905

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„Der Künstler soll neben den Eindrücken, die er von der äußeren Welt, der Natur erhält, fortwährend in einer inneren Welt Erlebnisse sammeln“, so definierte Alexej Jawlensky seine Rolle als Maler.
Als ehemaliger Offizier der russischen Armee war er 1896 mit Anfang dreißig nach München gekommen und lebte dort in komfortablen Verhältnissen. Er war Autodidakt und hatte bis dahin nur Abendkurse an der Petersburger Kunstakademie besucht. Nun war er intensiv auf der Suche nach einem eigenen Stil. Die Findung einer Balance zwischen impressionistischer Formauflösung und strenger Bildgliederung, zwischen lockerem Farbauftrag und linearer Ordnung war ein mühsamer Prozess.
Das zeigte sich besonders in seiner Landschaftsmalerei. 1905 verbrachte Jawlensky, zusammen mit seiner Lebensgefährtin Marianne von Werefkin, den Sommer in der Bretagne. So entstand das vorliegende Bild mit seiner großzügigen Ordnungsstruktur. Die ausschweifende Pinselführung überformt das Naturvorbild und betont die Eigenmacht der Kunstmittel gegenüber der bloßen Naturwiedergabe. Mit leuchtender Farbgebung erzeugte der Maler eine wohl kalkulierte Tiefenwirkung:
Über den Weg im Vordergrund führt er den Betrachterblick in die abfallende Felderlandschaft – weiter über das breit gelagerte Gehöft im Mittelgrund – bis hinüber zum Flussufer, wo sich die Landschaft unter wolkenverhangenem Himmel fortsetzt.
„Zum erstenmal habe ich damals verstanden zu malen, nicht das, was ich sehe, aber das, was ich fühle“, erinnert er sich Jahre später.

Auf rotem Tuch, 1909

 

Landschaft bei Oberstorf, 1912

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Ab 1911 stellte der aus Russland stammende, in München ansässige Alexej Jawlenski gemeinsam mit den Künstlern des „Blauen Reiter“ aus, ohne jedoch der von den Malern Wassily Kandinsky und Franz Marc ins Leben gerufenen Vereinigung beizutreten. Ein Jahr später, 1912, verbrachte er mehrere Monate im bayrischen Oberstorf und malte die Bergwelt aus wechselnder Perspektive in immer neuen Farbvariationen.
Indem Jawlensky ein wiederkehrendes Thema durchspielte, nahm er seine typischen Variationsreihen späterer Jahre vorweg. Inzwischen verzichtete er auf pittoreske Details. Die Bergwelt zeigte er menschenleer und spärlich bewachsen, nicht um symbolkräftige Spekulationen anzuregen, sondern um die Ausdruckskraft der Kunstmittel mit provozierender Eindeutigkeit hervortreten zu lassen. Wie der Maler alles Unregelmäßige in ebenmäßige, sanft schwingende Bögen und formale Korrespondenzen verwandelt und den Raum in die Fläche gleiten lässt, verdeutlicht anschaulich seine neu entwickelte künstlerische Zielrichtung. So unterlief er alle bis dahin üblichen Sehgewohnheiten.
In seinen Münchner Jahren blieb Alexej Jawlensky der expressionistischen Malervereinigung „Blauer Reiter“ eng verbunden. Dann, zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914, musste der fast Fünfzigjährige Deutschland verlassen.

Variation, zwei Figuren im Herbst, 1916

 

Variation, 1917

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Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Alexej Jawlensky mit seiner Familie und seiner Lebensgefährtin Marianne von Werefkin aus Deutschland ausgewiesen. Mittellos kamen die Flüchtlinge in die Schweiz und siedelten sich im Fischerdorf St. Prex am Genfer See an.
Durch dieses einschneidende Ereignis wurde Jawlensky gezwungen, seine Malerei neu zu erfinden. „Meine Seele erlaubte mir diese sinnliche Malerei nicht. Ich saß vor meinem Fenster. Vor mir sah ich einen Weg, ein paar Bäume, und von Zeit zu Zeit sah man in der Entfernung einen Berg. Ich fing nun an einen neuen Weg in der Kunst zu suchen. Meine Formate wurden kleiner: 30X40. Ich malte sehr viele Bilder, die ich „Variationen über ein landschaftliches Thema“ nannte.“
Der Maler gab seiner Serie in Anlehnung an den Komponisten Felix Mendelssohn- Bartholdy auch den Titel „Lieder ohne Worte“. Er wollte seine „Variationen“ jenseits von Sprache als absolute Kunst verstanden wissen. Mehr als hundert dieser „Variationen“ entstanden zwischen 1914 und 1921. Immer mehr löste sich Jawlensky von der gegenständlichen Betrachtungsweise, um den stets gleichen Fensterblick zunehmend abstrakt ins Bild zu setzen.
Ausgangpunkt der Serie war die Darstellung „Der Weg, Mutter aller Variationen“ – sie befindet sich heute in einer Privatsammlung. Auf jener Skizze sind die gegenständlichen Details noch deutlich zu erkennen.
Doch schon in den hier vorliegenden Arbeiten sind sie nur noch schwach nachzuvollziehen. In „Variation mit Figuren“ sind Bäume und Wolken, Möwen und Figuren zwar erkennbar – doch unterläuft Jawlensky hier bereits die Sehgewohnheiten, wenn er die Horizontlinie nach links abkippen lässt. Mit diesem Kunstgriff deutet sich an, was sich bei der zweiten „Variation (ohne Figuren)“ klar zeigt: die Suggestion von Räumlichkeit ist nun völlig aufgelöst. „Ich verstand, dass ich nicht das malen musste, was ich sah, sogar nicht das, was ich fühlte, sondern nur das, was in mir, in meiner Seele lebte“, erklärte Jawlensky dazu später.
Offenbar hatte der Künstler mit der Serie der Variationen, die er 1921 abschloss, sein Ziel erreicht – danach malte er keine Landschaften mehr.